Im Schweiße deines
Angesichts (Gen3,19) –
Das ist es mir wert.
Im Schweiße deines Angesichts (Gen 3,19) – Das ist es mir wert
Predigt vom Schweriner Männerkreis und Pastor Volkmar Seyffert
Hinführung mit Gen 3 – I (V. Seyffert)
Mensch, Adam, wo bist Du?
Diese Frage Gottes war gerade verhallt.
Im Garten Eden. Ganz am Anfang der Welt.
Gott hatte die Welt geschaffen.
Alles war wunderbar geordnet:
Licht und Finsternis, Wasser und Land, Pflanzen und Tiere.
Einen Garten hatte er gepflanzt.
Und der Mensch – nachdem er von Gott geformt, mit seinem Atem belebt wurde
und einen Ort im Garten Eden gefunden hatte – er wurde zum Mitschöpfer und
Ordner der Welt:
Er gab all den Tieren, die Gott erschaffen hatte, ihren Namen.
So war ein Funke der Neugier, des Die - Welt - benennen - und - erkennen - Wollens
im Menschen entfacht.
Und dann – weil Mensch ein Gegenüber braucht um ganz zu sein – schuf Gott die
Frau. In beiden Menschen steckte die Sehnsucht nach Mehr: Mehr wissen, die Welt
erkennen, sich einen Reim machen, auf das, was mir begegnet.
Dumm nur, dass Gott verboten hatte, die Früchte vom Baum der Erkenntnis zu
essen. Da hatte die Schlange mit ihren Verführungen leichtes Spiel ...
Mensch, Adam, wo bist Du? –
Als Gott seine Menschen im Garten suchen muss, ahnt er vermutlich, dass da etwas
anders gelaufen ist, als von ihm angesagt.
Und was nun folgt – Gottes Urteil über die Schlange, die Frau und den Mann,
ordnet die Schöpfung neu.
Schafft die Ordnung, die die Menschen kannten, die damals begannen sich die
Schöpfungsgeschichte zu erzählen –
und sich sagten: Es muss doch einmal anders gewesen sein.
Adam bekommt unter anderem zu hören:
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst,
davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.
Das ist eine ernüchternde Zustandsbeschreibung für ein Leben jenseits des
Paradieses.
Auch wenn der Anteil körperlich schwerer, schweißtreibender Arbeit zu sinken
scheint, kennen zu viele Männer volle Tage – ständige Erreichbarkeit – eng
getaktete Kalender.
Immer wieder staunen wir, wo die Zeit geblieben ist.
Die kostbare – zweckfreie Zeit mit der oder dem Liebsten – den Kindern, Eltern …
Die scheint es kaum zu geben …
Aber:
Diese Geschichte vom Paradies, von den ersten Menschen und Gott –
die endet nicht mit der neuen Lebensbeschreibung für Frau, Mann und Schlange
und mit dem Rauswurf aus dem Paradies …
In diesem Moment beginnt die eigentliche Geschichte von Gott und seinen
Menschen, wie sie seit Jahrtausenden erinnert wird.
Gott geht mit –
er bekleidet seine Menschen und rüstet sie aus,
er bekräftigt nach der Sintflut und immer wieder sein Ja, zu seiner Schöpfung und
seinen Menschen.
Gott geht mit – ist mitten drin.
Er ist auf der Suche nach uns.
Will sich zeigen.
Vielleicht ja in den kleinen, Wundern auf dem Weg in den Tag.
So zeigt er sich im Zwischenraum zwischen
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen
und der Vergänglichkeit.
Wir dürfen ihn entdecken …
Mit offenem Herzen und durchlässigen Sinnen.
Hören wir von einer Entdeckung im Alltag:
R. B.:
Mein Weg zur Arbeit
Es geht mal wieder los.
Die 7 Sachen sind gepackt: Brieftasche, Handy, Schlüssel, Mütze, Maske, Tempo und
Rucksack. Hab ich wirklich alles?
„Zum Glück ist der Kopf ja angewachsen“ – ein Satz, den ich den Kindern oft gesagt
habe, als sie noch klein waren.
Flugs die Fahrräder aus dem Schuppen geholt – eines für meinen Jüngsten, der
gleich mit mir fährt, eines für den etwas Älteren, der nach uns fährt, und eines für
mich.
Früher stand da auch noch ein Rad für die Große, die schon flügge wurde und das
Nest verlassen hat – aber das ist eine andere Geschichte.
War es früher toll für die Kinder, wenn Papa mit ihnen zur Kita oder Schule fuhr,
finde heute ich es toll, wenn mein Jüngster mich morgens noch begleitet.
Ja, schon beginnen sich die Rollen zu verschieben, ein Prozess, der sich noch weiter
entwickeln wird und an dessen Ende etwas steht, das heute – Gott sei Dank – noch
ungewiss sein darf.
Helm auf, hoch auf den Sattel, Blick nach links, rechts und schon geht es los.
Manchmal grüße ich, kaum auf dem Rad, unsere Nachbarn durchs Küchenfenster
und sie winken zurück.
Ein schöner Start der kleinen Tour.
Die frische Morgenluft kommt uns entgegen. Wie gut das tut.
Einmal links, dann rechts, schon sind wir an der Hauptstraße. Viele Menschen auf
dem Weg zur Arbeit oder anderen Verpflichtungen – was für Sorgen, Ängste, aber
auch Hoffnungen da wohl an uns vorbeifahren?
Gerade aus weiter, dann abgebremst, denn die Holzplanken bei der
Bahnunterführung können glitschig sein. Vor einigen Jahren habe ich diese Kurve
mal zu scharf genommen, das Rad rutschte weg und ich lag auf der Nase. Zum
Glück war nicht viel passiert, aber mein Respekt vor der Kurve, der ist geblieben.
Jetzt kommt der schönste Teil der Strecke. Es ist eine kleine Allee entlang der
Bahnlinie. Von links und rechts grüßen die Bäume und wir fahren unter einem
wundervollen Dach an bunten Blättern weiter. Nicht immer nehme ich wahr, wie
schön es hier ist. Dann ist der Kopf woanders. Du sollst doch in der Gegenwart
leben, denke ich. Wie richtig das ist und wie schwer zugleich.
Dann geht es weiter ein großes Stück entlang des Sees. Jeden Morgen eine andere
Lichtstimmung. Manchmal ist das Wasser spiegelglatt, manchmal aufgewühlt,
neulich war es so neblig, dass es keinen Unterschied mehr gab zwischen Wasser
und Himmel – das pure Herbst-Grauen, und doch so schön.
Jetzt sind wir an der großen Kreuzung mit den vielen Ampeln. Da heißt es meist:
warten und Geduld haben. Laster donnern vorbei, manchmal nähert sich ein
Anhänger bedrohlich der Bordsteinkante vor uns. In den meisten Autos sitzt nur
einer. Vibrierende Bässe rauschen vorbei.
So langsam geht es mit dem Blick nach rechts zum Schloss ans Ende der kleinen
Tour. Ich bin da, mein Jüngster hat es noch ein bisschen weiter. Wir wünschen uns
einen schönen Tag. Ich frage noch, ob heute etwas Besonderes ansteht. „Nö“, heißt
es dann. Oder vielleicht "ein Lateintest". „Bis heute Abend.“
Und ich? Schließe mein Rad ab, gehe ein paar Treppen hoch, checke bei der Zeituhr
ein. Noch bin ich erfüllt von den ersten Eindrücken des Tages und meist guter
Gedanken.
Danke für den schönen Start in den Tag. Mag jetzt auch kommen, was da wolle.
Musikalischer Impuls: „Wohl denen, die da wandeln“ – EG 295
Hinführung mit Gen 3 – II ( V. Seyffert)
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen ...
Mühselig klingt das, wenig reizvoll.
Und zugleich: Wer sich anstrengt, der schafft etwas.
In unserer Runde erinnerte sich einer an die Brotzeit auf dem Bauernhof:
Früh morgens ging es in den Stall, Kühe wurden gemolken, ausgemistet, gefüttert –
und dann war Zeit für die gemeinsame Pause an reich gedecktem Tisch.
Man(n) hatte am Tag schon etwas geschafft …
Zur Mühe gehört die Anerkennung, die ich dafür bekomme:
„Der hat etwas geschafft, etwas aufgebaut.
Einem Eisenbahner macht man nicht so schnell etwas vor –
einem Handwerker schon gar nicht
und einem Ingenieur ist nichts zu schwör …
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen ...
Leistung – Anerkennung – Lebenssinn
Das ist ein Zusammenhang, der uns zur wirklichen und wahrhaftigen
Lebensaufgabe werden kann.
P. J.:
Was ist, wenn mein Schweiß nicht mehr gebraucht wird?
Männer definieren sich, ihren Wert und ihren Erfolg nach dem, was sie tun!
Und dafür ist die Arbeit die beste Gelegenheit.
Männer wollen die Welt bewegen, die Welt verändern, sie wollen etwas anpacken,
machen, entdecken, erschaffen, erfinden oder verbessern.
Dieses Bild wird einem Jungen bereits im Kindesalter vermittelt.
Männer nähren ihren Selbstwert größtenteils aus ihrer Berufstätigkeit.
Es dreht sich dabei fast immer um etwas, was außerhalb von ihnen selbst, der
Partnerschaft oder Familie liegt. Sie sehen sich als Instrumente, die unermüdlich
und stark sein müssen um als Versorger zu funktionieren.
Diese Definition dient ihnen aber nicht in erster Linie selbst, sondern will anderen
dienen.
So war auch meine Berufstätigkeit geprägt. Die letzten 11 Jahre angestellt in einem
großen, bundes- und inzwischen weltweit tätigen Dienstleistungsunternehmen mit
guten Verdienstmöglichkeiten und bei fleißiger Arbeit zusätzlicher
Erfolgsbeteiligung. Der Leistungsdruck war enorm und das Gespür für die eigene
Überforderung gering.
Mir ging es gut und ich konnte mir etwas leisten.
Aber wie jedes mechanische Instrument, das ausdauernd genutzt und wenig
gepflegt wird, unterliegt auch der permanent überforderte Mann einem
überdurchschnittlichen Verschleiß, der unbemerkt oder ignoriert zu einem
plötzlichen Ausfall führen kann.
Bei mir waren das eine große Herz-OP, Psychatrieaufenthalt und vorsichtige
Wiedereingliederung in den Dienstprozess. Aber die alte, von mir erwartete
Leistungsfähigkeit war nicht mehr erreichbar, der Verschleiß war zu groß, meine
Instrumentalität wurde nicht mehr wertgeschätzt, mein Schweiß nicht mehr
gebraucht.
So ging ich, mit 50 % Schwerbehinderung vorzeitig in Rente.
Und nun, worüber sollte ich mich jetzt definieren, vorzeitig meiner Bedeutsamkeit
beraubt, dem Anspruch, mit meiner Leistung für andere sorgen können zu müssen
und der Angst, das eben nicht zu können?
Das war eine schlimme Zeit, aber ich war mit meiner Not nicht mehr allein. Seit der
Herz-OP und den angstvollen Wochen davor, habe ich etwas wiederentdeckt, was
ich lange verschüttet geglaubt hatte.
Ich habe zu beten begonnen und bei Gott Gehör gefunden. Und seit dieser Zeit hat
sich mein neuer Glaube gefestigt und ein einzigartiges Gottvertrauen hilft mir zu
leben.
Da war der Wiedereintritt in die Kirche wie selbstverständlich und der Wunsch nach
sinnvoller Beschäftigung in meinem Leben nach der so abrupten und schmerzhaften
Beendigung des Berufslebens groß.
Ich habe mich umgesehen, umgehört und festgestellt, dass es unendlich viele
Möglichkeiten dafür gibt. Es gibt so viele Angebote für ehrenamtliche Tätigkeiten,
von der Seelsorge bis zur aktiven Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen und
Kinder.
Und vielleicht ist das sogar der eigentliche Sinn des Lebens.
Darüber hier an dieser Stelle, in diesem besonderen Gottesdienst berichten gekonnt
zu haben, hat mich sehr gefreut.
Musikalischer Impuls: „Wohl denen, die da wandeln“ – EG 295
Hinführung – III (V. Seyffert)
Im Schweiße deines Angesichts sollst du ...
Ja, und das will ich auch.
Ich habe eine Lebensaufgabe gefunden, die mich erfüllt.
Eigentlich.
Aber es gibt so Vieles, was sich in den Weg stellen kann.
Mich verstrickt, gefangen hält.
Vergessen machen kann, warum ich hier bin,
warum ich mich überhaupt plage.
Im Schweiße deines Angesichts … – das ist es mir wert.
Das so sagen zu können … Aufrecht. Frei.
Dahinter steckt manchmal, ein weiter Weg,
Beharrliches Festhalten, Mut – und Gottes Gnade.
H. K.:
Vielleicht haben Sie mal von einem Sisyphus gehört?
Ich vermute, die meisten von Ihnen. Sisyphus ist eine Person, die in einer alten Sage
der griechischen Mythologie vorkommt. Dieser Mensch hatte die Götter erzürnt und
musste einen schweren Felsbrocken im Schweiße seines Angesichtes einen Berg
heraufrollen. Kurz vor dem Ziel rollte der Stein immer wieder nach unten, und er
musste wieder von vorn anfangen.
Eine richtige Sisyphusarbeit, eine nie endende Arbeit, eine Arbeit, die mit keinem
Erfolg belohnt wird. So kam ich mir anfangs in meiner Arbeit als Entwicklungshelfer
mit christlicher Motivation in Afrika vor.
Ich investierte viel Kraft und Energie im wahrsten Sinne im Schweiße meines
Angesichts, um Veränderungen zu erreichen.
Doch ich hatte oft den Eindruck, ich kämpfte gegen Windmühlen. Man konnte kaum
den berühmten Tropfen auf dem heißen Stein sehen.
Kinder starben an Krankheiten, die hier in Europa mit einfachsten Mitteln geheilt
werden können. Regelmäßige Nahrung wie Frühstück, Mittagessen und Abendbrot
gab es so gut wie gar nicht. Bildung nur für Kinder der Reichen.
Fragen über Fragen hatte ich. Warum diese Ungerechtigkeiten: hier in Deutschland
der Wohlstand und in Afrika Leid, Hunger und Krankheit. Warum lassen wir
Menschen das zu? Warum lässt Gott das zu?
Es ist für uns immer wieder, so glaube ich, schwer zu begreifen, dass Gott, der
Allmächtige, nicht mehr Leid verhindert, obwohl er es kann, besonders, wenn wir
emotional sehr beteiligt sind.
Doch ob erträglich oder unerträglich: Leid gehört zum Leben.
Wer keinen Schatten sieht, bemerkt das Licht nicht.
Wer keine Grenzen kennt, kann die Freiheit nicht genießen,
und wer kein Leid erlebt, erlebt auch keine Freude.
Meine persönliche Erfahrung mit Gott ist: Gott ist im Leid. Gott mutet uns alles
Mögliche zu, aber niemals, es allein durchzustehen. Wo er am fernsten zu sein
scheint, ist er am nächsten.
Wo wir ihn am meisten vermissen, ist er am sichersten da.
Und wo Leidende ihn nicht spüren, ist er dabei, sie zu spüren.
Und all die Medien, die Bilder des Leids von allen möglichen Orten der Welt zu uns
übertragen, übertragen in jedem Bild auch Gott.
Sehen wir ihn dort im Leid?
Es ist gut, wenn wir uns ihn gerade dort real und gottesbildlich vorstellen anstatt
irgendwo da oben im Himmel, wo er den Leidenden fern ist. Wo Menschen an diese
Nähe glauben und sie spüren, wird wahr, was Jesus in der Bergpredigt sagt: „Selig
sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“.
Meine Geschichte in Afrika endet nicht in der Verzweiflung und Demotivation für
meine Arbeit. Eines Morgens kam ein älterer Landwirt zu mir und lud mich zum
Essen ein. Die ganze Familie und erweiterte Verwandtschaft (ca. 20 Personen)
erwarteten mich. Mit Cola, Reis und Bohnen wurde ich bewirtet. Anschließend
zeigten sie mir ihre kleine Landwirtschaft.
Vieles, was wir an Neuerungen propagiert haben, haben sie gemacht. Und das
Familienhaupt erzählte mir, dass ihre Ernte und Einkommen höher sind als vorher.
Ich war sprachlos. Und dankte Gott, dass er mich in meiner Situation nicht allein
gelassen hat. Und mir auch zeigte: auch wenn nach drei oder vier Jahren „nur“ eine
Großfamilie von dem Projekt mit hohem Budget profitiert, hat sich die Arbeit
gelohnt, unabhängig davon wie hoch das Projektbudget ist.
Und für noch eine Sache war ich dankbar: für die Gastfreundschaft dieser Familie.
Dadurch wurde ich reich beschenkt, weil ich nicht nur der Gebende war.
Und auch dadurch wurde ich reich beschenkt, dass ich aufs Neue erfahren durfte,
Gott ist an meiner Seite, auch wenn ich damals persönlich glaubte, er ist nicht da.
Und da erging es mir, und auch noch heute, wie den Emmaus-Jüngern.
Sie gehen nach dem Tod Jesus einsam ihren Weg, ohne Hoffnung. Doch plötzlich ist
der Auferstandene an ihrer Seite. Und sie wissen, sie gehen ihren Weg nicht mehr
allein.
Amen.