„Papa, spiel mit mir!“

“Gottesdienst”

Vatertag ist an Himmelfahrt

Die Vater-Kind-Aktion ermutigt seit Jahren dazu, den Himmelfahrtstag in den Kirchengemeinden einmal mit dem Anlass “Vatertag” zu verbinden. Dies fällt um so leichter, als in vielen Gemeinden der Himmelfahrtstag mit einem Familiengottesdienst - manchmal unter freiem Himmel - und in Verbindung mit einem Gemeindefest gefeiert wird. Es könnte z. B. mit dem Plakat zur Aktion eingeladen werden.

Um diese Zusammenhänge zu verbinden, soll die Bedeutung des Himmelfahrtsgeschehens natürlich nicht an den Rand gedrängt werden. Der Bezug zum vorgeschlagenen Perikopentext bleibt erhalten.
Im folgenden bieten wir einen Text als Predigtentwurf an:


1. Könige 8, 22 – 24. 26 - 28:
(22) Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel
(23) und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen;
(24) der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. …
(26) Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden,  das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
(27) Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?
(28) Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.


Liebe Gemeinde,

warum spielen wir?
Was fasziniert uns am Spielen und was geschieht eigentlich dabei?
Diese Fragen habe ich mir gestellt,
als ich angefangen habe, diesen Gottesdienst vorzubereiten.
Die Männerarbeit der EKD stellt über diesen Tag ein Motto, das zugleich ein Aufruf an uns Väter sein soll: „Papa, spiel mit mir“, und wir sehen auf der Postkarte, die dazu gehört, einen Vater, der sich auf das Spiel des Kindes einlässt, ja, er nimmt es auf den Rücken und sie „fliegen“ gemeinsam über die Wiese.

Warum spielen wir?
Und ich bin mal ins Internet gegangen, habe eine Suchmaschine gefragt: Warum spielen Menschen Spiele?
Bei Wikipedia bin ich auf folgende Erklärung gestoßen:
„Das Spiel (von althochdeutsch: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung,
allein aus Freude an ihrer Ausübung ausgeführt wird.
Es ist eine Beschäftigung,
die um der in ihr selbst liegenden Zerstreuung,
Erheiterung oder Anregung willen
und oft in Gemeinschaft mit anderen vorgenommen wird.
Ein Großteil der kognitiven Entwicklung
und der Entwicklung von motorischen Fähigkeiten findet durch Spielen statt,… Einem Spiel liegen oft ganz bestimmte Handlungsabläufe zugrunde,
aus denen, besonders in Gemeinschaft,
verbindliche Regeln hervorgehen können.
Die konkreten Handlungsabläufe können sich sowohl
aus der Art des Spiels selbst,
den Spielregeln (Völkerball, Mensch ärgere Dich nicht)
oder aber aus dem Wunsch verschiedener Individuen ergeben, gemeinschaftlich zu handeln (Bau einer Sandburg).“

Und weiter heißt es dort:
„Eine weithin anerkannte Definition für Spiel stammt von dem niederländischen Kulturanthropologen Johan Huizinga.
In seinem Hauptwerk „Homo ludens“ schreibt er:
“Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung,
die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum
nach freiwillig angenommenen,
aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird,
ihr Ziel in sich selber hat
und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude
und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“
(– HUIZINGA: 1938/1991, S. 37)

Im Umkehrschluss sind Tätigkeiten eines Menschen
kein Spiel, sondern Ernst, wenn sie erzwungen oder zweckgebunden sind.
In diesen Fällen dienen die Tätigkeiten unmittelbar der Existenzsicherung, Pflichterfüllung, Notdurft, Suchtbefriedigung, Schadensabwendung
oder Schmerzvermeidung.
Es kann aber auch einen (notwendigen) heiligen Ernst des Spieles geben:
Das Spiel enthält dann kultische und religiöse Züge.“

Gemeinsames Spielen bringt uns Menschen in Beziehung.
Wir gestalten gemeinsam Zeit,
wir stellen Regeln auf und passen sie der Situation an.
Wenn wir mit kleineren Kindern spielen,
dann sind die Regeln vielleicht noch nicht so streng,
wenn sie älter werden ändert sich das.
Dann gibt es Spiele, die mit Familienregeln gespielt werden,
da werden Karten an den linken oder rechten Mitspieler weitergereicht,
oder alle Mitspieler im Alter unter zehn Jahren
dürfen bei „Mensch-ärgere-dich-nicht“ nicht rausgeworfen werden.
Spiel setzt uns untereinander und miteinander in Beziehung.
Wir erfahren dabei viel übereinander.

Wir haben zu Hause das Spiel „Lifestyle“:
Da muss man, mithilfe von Karten erraten,
welchen Urlaub ein Mitspieler gerne mal machen würde,
oder welches Essen er am liebsten hätte,
oder in welchem Haus er niemals wohnen möchte,
was ihn am meisten ärgern würde,
was er am liebsten ändern würde,
usw.
Man erfährt viel über den anderen,
aber man lernt auch,
dass Menschen, die man glaubt wirklich zu kennen,
vielleicht ganz andere Lebensentscheidungen fällen würden,
wenn sie könnten.

Spiel setzt uns in Beziehung, auf die eine oder andere Weise.

In unserem Predigttext hören wir ein Gebet des Salomo.
Gerade ist der Tempel in Jerusalem fertig gebaut, nun wird er eingeweiht.
Er ist der Ort der gottesdienstlichen Handlungen, wir nennen das heute Liturgie.
An allen hohen Feiertagen strömen die Menschen nach Jerusalem, besuchen den Tempel und erleben gemeinsam die Liturgie.
Der Liturgie, also dem Ablauf der gottesdienstlichen Handlung,
„liegen oft ganz bestimmte Handlungsabläufe zugrunde,
aus denen, besonders in Gemeinschaft,
verbindliche Regeln hervorgehen können.
Die konkreten Handlungsabläufe können sich sowohl  aus der Art der Liturgie selbst (je nach Feiertag und dessen Thema),
den Regeln oder aber aus dem Wunsch verschiedener Individuen ergeben, gemeinschaftlich zu handeln (im Bau eines Tempels).“

So ist selbst der Gottesdienst, auch der, den wir heute feiern,
Spiel der Menschen und in dieses Spiel fließt – im Idealfall – ihr Leben ein,
ihre Ängste, ihre Freude, der Spaß und der Ernst,
die Liebe und die Trauer,
alles fließt in dieses Spiel ein.
Es ist ein Spiel mit besonderer Würde,
gerade weil wir ganz persönlich mit im Spiel sind.

Spiel – Liturgie – Gottesdienst setzt uns in Beziehung.
Salomo geht einen Schritt weiter.
Er weiß, dass dieses Spiel,
der Gottesdienst uns auch mit Gott in Beziehung setzt.
Gleichzeitig bekennt er, dass Gott größer ist,
als das „Spielbrett“, der Tempel,
sein Wesen geht weit darüber hinaus.
Und doch soll der Tempel ein Ort sein,
der uns Menschen miteinander und mit Gott in Beziehung setzen will.

Manchmal gelingt das und manchmal überhaupt nicht.
Manchmal sind wir mitten drin im Spiel der Liturgie des Gottesdienstes,
und manchmal sagt es uns nichts.
Aber so sind wir Menschen.

Gott aber bleibt im Spiel,
er hält den Bund, was heißt,
dass er die Regeln nicht bricht.
Was aber ist die Regel des Spiels der Menschen vor Gott,
das wir Gottesdienst nennen?

Die einzige Regel lautet:
Bleibt in Beziehung! Menschen untereinander und zu Gott.
Bleib in Beziehung! Mensch zu Gott und Gott zu Mensch.

Papa, spiel mit mir.

Väter äußern heute viel stärker als früher,
dass sie eine intensive, innere Bindung zu ihren Kindern wünschen.
Viele Väter tun auch was dafür,
das kann ich auf den vielen Spielplätzen bei uns in … fast täglich sehen, wenn ich meine Runden drehe.
Kinder profitieren von dieser Beziehung enorm.
Viele Väter glauben jedoch auch,
sie hätten ihren Kindern emotional nichts zu geben.
Ich glaube, dass das nicht stimmt.
Väter traut euch!
Nehmt eure Kinder auf den Rücken
und fliegt mit ihnen über die Wiese!
Entdeckt mit ihnen die Welt!
Baut Matschburgen, bastelt Papierschiffchen und setzt sie in den Bach,
gestaltet gemeinsam Eure Welt im Spiel –
denn Spielen setzt Euch in Beziehung.
Und das Genialste wäre,
wenn es euch gelänge,
noch die Großväter ins Boot zu holen.
Denn liebe Väter, was hindert euch daran,
zu euren Vätern und Schwiegervätern zu sagen:
Papa, spiel mit mir?

Und in diesem Spiel ist Gott verborgen,
so wie es schon König Salomo gesagt hat:
„Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen
– wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“
Also findet Ihr Gott nicht nur hier,
sondern auch in jedem Spiel, das ihr miteinander spielt.
Und wenn ihr Gott nicht im Spiel findet,
wer weiß, ob ihr ihn dann in der Kirche findet?
(Frei nach Therese von Lisieux, die geschrieben haben soll: „Wer Gott nicht zwischen Töpfen und Pfannen findet, der findet ihn auch nicht in der Kirche!“)

Amen
 


(Pfr. Carsten Schulze, Frankenthal)