„Papa, spiel mit mir!“

Kinder haben Väter
Impulse für eine Verstärkung der Arbeit mit Vätern in Kindertageseinrichtungen und Familienzentren


Das Thema „Väter“ ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mit gesetzlichen Vorgaben, wie z.B. den Vätermonaten, wurde in den letzten Jahren versucht, väterliches Engagement zu stärken. Daneben belegen verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen die Bedeutung der Väter für die Entwicklung der Kinder und ermutigen Väter zu einer aktiven Gestaltung ihrer Vaterschaft. Kindertageseinrichtungen und Familienzentren sind herausgefordert, diesen Prozess zum Wohle der Kinder aktiv zu unterstützen.


Veränderung der Väterrolle

Die traditionelle Rollenaufteilung bei dem der Vater allein für die Erwerbsarbeit und die Mutter allein für den Haushalt und die Kinder zuständig ist, scheint als Leitmodell ausgedient zu haben.
 
So sehen sich Väter heutzutage nur noch in einer Minderheit von weniger als einem Drittel als ausschließliche „Familienernährer“ (29%), die Mehrheit von knapp drei Vierteln lehnen diese Beschränkung auf die Brotverdienerrolle ab (71%). Hinzu kommt: Gut ein Drittel der deutschen Männer insgesamt (37%) und sogar fast zwei Drittel der sog. neuen oder modernen Männer (61%) würde gerne ihre Berufstätigkeit unterbrechen und in die Elternzeit gehen. Immerhin hat sich der Anteil der Väter, die das Elterngeld tatsächlich wahrnehmen, im vergangenen Jahr von jahrzehntelang rund 3 % auf über 20 % erhöht. Ein Viertel der deutschen Männer (25%) wünschen sich (mehr) Kinder.
Diesen erfreulichen Entwicklungen stehen noch viele unerledigte Aufgaben gegenüber.

Die Bedeutung der Väter für die Entwicklung der Kinder ist in zahlreichen Veröffentlichungen (z.B. Jean le Camus, Väter, Heinz Kindler, Väter und Kinder, Horst Petri, Väter sind anders) dargestellt worden. Eine aktive Beteiligung der Väter an der Erziehungsarbeit in der Familie hat nachweislich positive Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung der Kinder.

Väter haben Kinder

Um einer kinderlosen und damit wenig zukunftsfähigen Gesellschaft entgegenzuwirken brauchen wir gesellschaftlich gesehen eine neue Akzeptanz für Kinder. Die Bereitschaft von Erwachsenen, ihr Leben für die Begleitung und Erziehung von Kindern zu öffnen, bedarf gezielter Unterstützungs- und Hilfsangebote. Dies gilt auch für Väter.

Zunehmend mehr Väter wollen Verantwortung für ihre Kinder übernehmen und sich aktiv in den Erziehungsprozess einbringen. Was ihnen oft fehlt, ist eine gesellschaftliche Akzeptanz für diese Erziehungs- und Pflegeaufgaben und ein Klima, das Mut macht, Spielräume zu nutzen und die Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben verantwortlich zu gestalten.

Väter wiederum sind aufgefordert, den Kindern Beziehungsangebote zu machen, ihnen körperliche Nähe und Geborgenheit zu vermitteln und sich Zeit für ihre Kinder zu nehmen. Sie sollten als „Dritter“ neben der Mutter für die Kinder erfahrbar sein. Sie helfen auf diese Weise dem Kind, gerade in den ersten Lebensjahren, den erforderlichen Ablösungsprozess von der Mutter zu erleichtern. Wichtig ist, so zeigt die aktuelle Forschung, dass das Kind „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ erfährt.
Darüber hinaus ist es für Jungen von besonderer Bedeutung, im Vater eine gleich-geschlechtliche Identifikationsfigur zu erleben. Sie brauchen für ihre Identitätsentwicklung die Orientierung an einem männlichen Vorbild.


Väter in der Welt der Kindertageseinrichtungen

Noch immer ist es so, dass Väter sich in der Welt der Kindertageseinrichtungen wenig „zu Hause“ fühlen.

Das hat u. a. mit Arbeitswelten, die sich wenig an Öffnungszeiten der Kindertageseinrichtungen orientieren zu tun. Vielfach ist es dann eben doch die Mutter, im Sinne einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung,  die das Kind zur Einrichtung bringt.

Auch die Kindertagesstätten sind Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit und arbeiten trotz des Anspruchs eines familienorientierten Ansatzes überwiegend mit den Müttern zusammen. Es gibt noch zu wenige Angebote, die sich speziell an Väter richten, um sie in die Arbeit zu integrieren und als gleichwertige Erziehungsverantwortliche der Kinder ernst zu nehmen.
Erfreulicherweise ist hier in den letzten Jahren bei vielen Einrichtungen eine spürbare konzeptionelle Erweiterung zu erkennen.

Nach wie vor ist es aber so, dass Väter – wie auch Kinder – i.d.R. (Anm.: Nach einer aktuellen vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Studie liegt der Männeranteil an den pädagogischen Fachkräften in Kitas bei 2,4 Prozent)
in Kindertageseinrichtungen vorwiegend mit weiblichen Fachkräften konfrontiert sind.
Die aktuelle Diskussion über männliche Erzieher in den Kindertageseinrichtungen greift diesen Aspekt auf und stellt heraus, dass es wichtig ist „dass in der frühkindlichen Erziehung Frauen und Männer gemeinsam arbeiten, und zwar für Jungen ebenso wie Mädchen, denn im frühkindlichen Bereich fehlen moderne männliche Rollenvorbilder und Bezugspersonen für Mädchen und Jungen“.  (www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationen,did=150286.html)
Auf dem wichtigen Weg zu einer geschlechtsspezifisch paritätischen Besetzung von pädagogischen Fachkräften in Kitas stehen wir sicher noch am Anfang. Im Hinblick auf die Arbeit mit Vätern und Kindern haben Kindertageseinrichtungen heute schon vielfältige Möglichkeiten, die Beziehung zwischen Vater und Kind und die Rolle der Väter aktiv zu fördern und sie in die Arbeit einzubinden. Sie können damit die Schritte zu einer von Frauen und Männern gestalteten Kindertageseinrichtung voranbringen.


„Vätergruppe auf Zeit“ – Ein Modell zur Unterstützung der Arbeit mit Vätern

Die Männerarbeiten in den beiden NRW-Landeskirchen Rheinland und Westfalen bieten seit vielen Jahren Kindertageseinrichtungen und Familienzentren Unterstützung bei der Etablierung von Angeboten für Väter und für Väter und Kinder an. Neben der Beratung in Fragen der Väterfreundlichkeit werden in Kooperation mit der jeweiligen Einrichtung gezielte Angebote sozialraumorientiert und einrichtungsspezifisch entwickelt und auf Grundlage der Familienbildung angeboten. In der Praxis bedeutet dies, dass Männer (der Männerarbeit) und Frauen (der Kindertageseinrichtung) gemeinsam überlegen wie ein ansprechendes Angebot für Väter konzipiert sein muss. Von der Veranstaltungsform her,  können dies beispielsweise sowohl ein Erlebnistag, wie auch Lange-Vater-Kind-Nächte in der Einrichtung oder Vater-Kind-Wochenenden am anderen Ort sein. Letztendlich durchgeführt wirddas Angebot von männlichen pädagogischen Fachkräften der Männerarbeit.
Die mögliche Arbeit mit Vätern wird beispielhaft an einem Vater-Kind-Seminar während eines Wochenendes veranschaulicht.





Bedeutsam bei dem Modell „Vätergruppe auf Zeit“ ist die konsequente Einbindung der Väter bei der inhaltlichen Gestaltung des Angebotes. Um dies sicher zu stellen, werden in der Regel bei zwei Vorbereitungsabenden die unterschiedlichen Ideen und Bedürfnisse ermittelt und zu einem inhaltlichen roten Faden verknüpft. Diese Form der Einbindung nimmt Väter als Erziehungsverantwortliche ernst und sensibilisiert Väter schon in der Planungsphase für kindliche Lebenswelten, da die Frage „Was sagen die Kinder dazu?“ immer mit im Raum ist. Zudem bietet die Herangehensweise vielfältige Möglichkeiten mit anderen Vätern über ihre Ansichten zum Vatersein ins Gespräch zu kommen. Mit insgesamt vier Treffen bestehen gute Aussichten, die Väter für weitere Vater-Kind-Aktionen und Aktivitäten der Kindertageseinrichtungen zu gewinnen und sie auf diese Weise in der Ausübung ihrer Vaterrolle zu unterstützen.
Die Veranstalter begleiten darüber hinaus die Einrichtungen mit Beratung über ergänzende Angebote.

Das Modell der „Vätergruppe auf Zeit“ ermöglicht Einrichtungen, mit geringem zusätzlichem Aufwand zukunftweisend mit Blick auf die Vater-Kind-Arbeit tätig zu werden. Schon heute finden NRW-weit jährlich ca. 90 Veranstaltungen und über 150 Abendveranstaltungen in Familienzentren und Kindertageseinrichtungen statt. Die Tendenz ist steigend.

Überlegungen für die Arbeit

Viele Einrichtungen berichten, dass es nicht leicht ist, Väter zu erreichen. Erschwerend kommt auch hinzu, dass die personellen Ressourcen nur wenige Kapazitäten für diesen Arbeitsansatz übriglassen. Zudem fehlen qualifizierte männliche Ansprechpartner.

Aus diesem Grund haben die Männerarbeit im Rheinland und die Männerarbeit im Institut für Kirche und Gesellschaft der westfälischen Landeskirche mit Unterstützung des Familienministeriums ein Fortbildungskonzept für künftige Leiter von Vater-Kind-Angeboten entwickelt. In einer einjährigen Fortbildung werden interessierte Männer in sieben Modulen qualifiziert. Die Ausbildung besteht aus vier Wochenendmaßnahmen, einer Hospitation, einem Abendforum und einer Hausarbeit. Im Rahmen der Ausbildung werden die teilnehmenden Männer mit den Grundlagen der Arbeit mit Vätern und Kindern vertraut gemacht.

Interessierte Einrichtungen haben die Möglichkeit  die Vater-Kind-Agentur der rheinischen und westfälischen Männerarbeit als Kontaktsstelle zu nutzen, um Unterstützung bei der Etablierung von entsprechenden Angeboten zu erhalten.

Bei der Planung eines attraktiven Angebots für Väter einer Einrichtung hat sich gezeigt, dass Veranstaltungen mit Erlebnischarakter, an denen Väter gemeinsam mit ihren Kindern aktiv werden, die besten Chancen haben, angenommen zu werden.
Themenabende mit pädagogisch formulierter Zielsetzung finden nur wenig Interessierte Väter als Teilnehmer.

Die Praxis zeigt, dass Väter bei der Planung und Durchführung einer Veranstaltung mit Erlebnishintergrund mit vielen Fragestellungen, die das Vatersein betreffen, konfrontiert werden. Diese Momente und Akzente im gemeinsamen Miteinander zu entdecken und darüber mit den Vätern in einem vertrauensvollen Rahmen ins Gespräch zu kommen, scheint der richtige Ansatz zu sein, um Väter zu erreichen.

Es zeigt sich – im Gegensatz zu reinen Themenabenden -, dass Väter in einem solchen Kontext im Zuge des gemeinsamen Planungsprozesses sehr gerne und offen die Chance nutzen, mit anderen gerade auch über die Stolpersteine und Herausforderungen des Vaterseins, , ins Gespräch zu kommen. 

Bei der Etablierung von Angeboten für Väter und Kinder im Sinne eines familienorientierten Ansatzes, der die Ressourcen des gesamten Familiensystems berücksichtigt und Entwicklungschancen fördert, ist es wichtig die Arbeit konzeptionell in der Einrichtung zu verankern. Das reine Anbieten und Auslegen von Prospekten für Angebote von externen Anbietern reichen nicht aus, um Väter zu erreichen und eine nachhaltige Arbeit sicher zu stellen. Die konsequente konzeptionelle Einbindung des Arbeitsansatzes „Vater-Kind-Arbeit“ und die Diskussion darüber im Team und mit den Eltern ist ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg. Externe Kooperationspartner, wie z.B. die Männerarbeit können hierbei beratend und unterstützend tätig werden.

Fazit

Die Arbeit mit Vätern in den Kindertageseinrichtungen und Familienzentren bedeutet gerade für die Kinder eine wichtige Erfahrung. Sie profitieren am meisten von der gemeinsamen Zeit mit ihren Vätern. Die Väter erfahren auf diesem Weg in Kontakt mit anderen Vätern und im Gespräch mit ihnen neue Variationen und Ideen der Ausgestaltung von Vaterschaft und erhalten wertvolle Anregungen. Die Einrichtungen erweitern ihr Dienstleistungsangebot durch die Einbindung der Väter und schaffen einen Raum, der die Erziehungsverantwortung von Vätern im Sinne des Kindeswohls fordert und fördert.

(Zuerst erschienen in „Kita Aktuell NRW“ Oktober 2010.)

Jürgen Haas, Männerarbeit im Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von WestfalenJürgen Rams, Männerarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland