Im Schweiße deines
Angesichts (Gen3,19) –
Das ist es mir wert.
Im Schweiße deines Angesichts – das ist es mir wert
Predigt für Männer zu Genesis 3,19
von Theodor Leonhard (Bildauswahl: Jens Fandrey)
Liebe Gemeinde!
Das war es uns wert – Buttersäure aus dem Chemiesaal
Buttersäure im Reagenzglas haben wir
als Schüler – Schülerinnen waren nicht
dabei – aus dem Chemiesaal
geschmuggelt. Ein paar Tage lang haben
wir unauffällig zu unterschiedlichen
Zeiten im Flur der Schule ein paar
Tropfen davon hinterlassen, von diesem
Produkt, das beispielsweise entsteht,
wenn Fußschweiß oder Achselschweiß
von Bakterien zersetzt wird. Das war es
uns wert, diesen nicht nur Aufsehen erregenden, sondern vor allem Gestank
verbreitenden Streich zu spielen. Kreischende, sich die Nase zuhaltende Mädchen
und empört durch die Gänge hetzende Lehrerinnen und Lehrer waren uns
halbstarken Kerle „Lohn“ genug. Als meinem Freund aus Versehen ein paar Tropfen
auf die Hand fielen, war einer der Täter entlarvt. Und die paar Tropfen waren mehr
als Strafe genug. Er hat tagelang ganz fürchterlich gestunken. Da waren alle
Hygieneversuche ziemlich erfolglos. So großen Abstand hast du gar nicht von ihm
halten können, dass du nichts mehr gerochen hast. Männerschweiß!
„WM-Sonderedition - Riechen wie ein Fußballer
nach 90 Minuten“
Es ist zwar nur eine Fotomontage,
die auf der Duschgeltube prangt,
versehen mit einem Bild der deutschen Flagge.
„Riechen wie ein Fußballer nach 90 Minuten.“ Es
könnte mehr sein als eine bloße Fotomontage.
Na, hört mal, Männer! Wenn wir schon nicht so
schnell sind wie sie und keine genauen Pässe
über 40, 50 Meter schlagen können; wenn wir
schon mehr als meilenweit von ihren Gehältern
entfernt sind und niemand sich für unsere
Autogrammkarten interessiert, dann wollen wir
wenigstens von ihrem Geruch, von ihrem so
wertvollen, schier unbezahlbaren Schweißgeruch
etwas haben. Männer, wir sind vom gleichen Schweiß!
Das wünschen sich ja Männer – übrigens auch Frauen – manchmal, dass sie von
dem etwas haben könnten, wofür andere schwitzen. Vielleicht hört sich das mit dem
Fußballerschweiß noch ganz amüsant an. Aber wenn Menschen andere
beispielsweise für sich schuften – im wörtlichen und im übertragenen Sinn
schwitzen – lassen und dann in klimatisierten Räumen bei leckeren Häppchen für
den Erfolg der Schwitzerei gefeiert werden, natürlich ohne diejenigen, die vorher
schwitzen mussten, das kann zumindest ein „Gschmäckle“ an sich haben. Wenn ein
Diktator wie Alexander Lukaschenko ein ganzes Volk für sich „schwitzen“ lässt,
dann stinkt das zum Himmel.
Nicht schwitzen dürfen – zu viel schwitzen müssen
„Im Schweiße deines Angesichts ...“ Wie
gerne würden viele Menschen in dieser
Zeit „im Schweiß ihres Angesichts ihr
Brot essen“. Aber sie mussten in
Coronazeiten notgedrungen ihren
Arbeitsschweiß „auf Null“ oder
Kurzarbeit herunterfahren, sozusagen
„unter ihren Wert“. Wie gerne würden
Gastwirte hinter dem Tresen und in der
Küche schwitzen. Wie gut täte es
Künstlern, wenn ihnen auf und hinter der
Bühne der Schweiß nur so herunterlaufen würde. Das verleiht dem Schweiß von
Männern und auch Frauen einen ziemlich herausfordernden Geruch, wenn er vor
allem in der Form von existentiellem Angstschweiß daherkommt. Nicht jeder
Schweiß lässt Menschen „ihr Brot essen“.
Und zu viel Schweiß kann zusätzlichen
Angstschweiß hervorrufen. Im ganz
wörtlichen Sinn: Ich kenne Männer, die
machen gar nicht gern Besuche, weil sie
fürchten, sie müssen ihre Schuhe
ausziehen. Selbst wenn sie kurz vorher
ihre Füße waschen, entsteht ziemlich
schnell Fußschweiß, der sehr
unangenehm für eine ganze Gesellschaft
sein kann, am meisten für diejenigen, die
ihn verursachen. Das kann
schweißtreibende Scham auslösen.
Oder wie viele Männer „schwitzen“ sich
in ihrem Leben bis zur Erschöpfung ab.
Sie wollen und sollen berufliche Karriere
machen. Sie wollen und sollen
unternehmenslustig und sportlich sein.
Sie wollen und sollen möglichst oft zu
Hause sein. Sie wollen und sollen
einfühlsame und leidenschaftliche
Liebhaber und für ihre Kinder liebevolle
Väter sein. Vielleicht wollen und sollen
sie sich dann auch noch kirchlich oder sonst wie ehrenamtlich betätigen. Es kann
Männern schon Angst machen und sie in die Erschöpfung treiben, wenn sie diesen
Erwartungen nicht richtig gerecht werden können.
Der Schweiß des Jägers
Noch eine ganz andere Wende nimmt
das Wort „Schweiß“, wenn es von einem
Jäger gebraucht wird. „Wenn ich Schweiß
sage, dann meine ich Blut.“ So hat es der
Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor
in einem SPIEGEL-Artikel ausgedrückt.
Jäger haben ja ihre ganz eigene Sprache,
die nur sie verstehen. Wenn ein Tier
angeschossen ist, in Panik flieht und eine
Blutspur hinter sich herzieht, nennen
Jäger das eine Schweißspur. Ein Jäger wird das Tier dann so lange verfolgen, bis er
es endgültig erlegt hat. Über den Sinn des Jagens will ich in keiner Richtung ein
Urteil fällen. Aber wenn Männer sich im übertragenen Sinn auf die Jagd machen, um
beispielsweise Konkurrenten zu „erlegen“ oder mit Trophäen neben sich groß zu
imponieren, dann können sie je nachdem auch eine Art Blutspur hinter sich
herziehen. Und Männer können sehr viel Schweiß investieren, um zu jagen, zu
erlegen, zu triumphieren. Blutschweiß.
Der Blutschweiß von Jesus
Das erinnert mich an eine andere Art von
Blutschweiß: Jesus rang mit dem Tod
und betete heftiger. Und sein Schweiß
wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde
fielen. (Lukas 22,44) Blutschweiß!
Ja, Jesus ist angeschlagen in dieser
Situation, wahrscheinlich noch weit
mehr als ein verwundetes Tier. Er wurde
verraten und verkauft. Am Ende hatte er
das Gefühl, dass selbst Gott ihn verlassen
hat. Dennoch hat er in und mit seinem Blutschweiß gekämpft. Und es muss ein
heftiger Kampf gewesen sein.
Es gibt in der Theologie und in der Kirche eine Fülle von Beschreibungen, was das
Blut und der Blutschweiß, was der Tod von Jesus bedeutet. Ich möchte in dieser
Predigt nur einen von etlichen möglichen anderen Aspekt benennen, von dem ich
überzeugt bin, dass er auch eine Rolle gespielt hat und spielen darf:
„Ihr seid es mir wert, Ihr Männer, dass ich das Beste für Euch gebe. Ihr seid es mir wert,
dass ich alles für Euch einsetze, auch meinen Schweiß und mein Blut. Ich möchte Euch
nicht niedermachen oder gar erlegen oder erledigen. Ihr seid es mir wert, dass ich Euch
stark mache. Ihr sollt in Euren Verwundungen, in Eurer Angst, in Euren Sorgen nicht
noch eins draufkriegen. Ich seid es mir wert, dass ich Eure Verletzungen verbinde und –
so gut es geht – heile. Ihr seid es mir wert, dass ich in Euren Krisen und Eurer Scham bei
Euch bin und mit Euch gehe. Ihr seid es mir wert, dass Ihr in meinem Herzen einen
festen Platz habt. Ihr seid es mir wert, dass Ihr ‚im Schweiß Eures Angesichts Euer Brot
essen‘ könnt, dass Ihr aber vor unnötigem Schweiß bewahrt bleibt. Ihr seid mir mein
ganzes Leben wert, Männer!“
Fröhlicher Wechsel
Hier wird eine großartige Perspektive
angedeutet. Das geht in die Richtung, die
Martin Luther einen „fröhlichen Wechsel“
genannt hat. Jesus hat Schweiß, sogar
Blutschweiß ausgehalten. Unser Leben
gewinnt ein großes Stück Leichtigkeit
und Befreiung von unnötigem Schweiß.
Jesus hat den Schweiß ertragen, in den
Verrat und Verlassenheit ihn gebracht
haben. Unser Leben gewinnt einen
Freund, der in jeder Lage bei uns ist, mit uns geht und zu uns hält. Jesus hat
angesichts der Lieblosigkeit von Menschen das Herz geblutet. Uns kann Kraft
zuwachsen, unseren ganzen Männer-Schweiß der Liebe unter den Menschen zu
widmen. Was nach der „Vertreibung aus dem Paradies“ einmal wie ein Fluch
geklungen hat, das kann zum Segen werden, wenn wir „im Angesicht des Schweißes
unser Brot essen“. Fröhlicher Wechsel. Wir sind es ihm wert.
Fröhlicher Wechsel. Wir müssen uns nicht gegenseitig erledigen oder erlegen, wir
können mit unserer Kraft und unserem Schweiß den Duft der Liebe verbreiten und
so „im Schweiße unseres Angesichts unser Brot essen“. Der Duft der Liebe hat sehr,
sehr viele unterschiedliche Nuancen. Ein Männerleben reicht nicht aus, um sie alle
zur Geltung zu bringen. Es reichen die Düfte aus, die zu uns passen. Ausgehend vom
Bild des „Männer-Schweißes“ will ich drei mögliche Düfte andeuten.
1.
Duft: Schwitzen und Leben genießen nach gemeinsam getaner Arbeit
1. Duft: Wenn Männer an einem Haus
bauen oder bei der Weinlese sind oder
den Garten einer Kirchengemeinde
wieder einmal in Ordnung bringen, dann
können sie wirklich ganz schön anpacken
und bringen gemeinsam etwas
weggeschafft. Genauso wichtig ist es für
sie dabei, dass sie richtig ausführliche
Pausen machen, miteinander anstoßen
und gut vespern oder auch nach getaner Arbeit noch im verschwitzten Zustand
ordentlich zugreifen. Ja, „rinnen muss der Schweiß, soll das Werk den Meister
loben“. Aber es wird auch gemeinsam das Leben genossen. Das können wir uns wert
sein als Männer, dass wir miteinander anstrengend arbeiten und etwas gestalten,
dass wir aber auch fröhlich miteinander das Leben genießen.
2. Duft: Authentisch sein In unserem Leben
2. Duft: Der Duft der Liebe ist
authentisch. Man hat Frauen an 32
Parfums riechen lassen, die mit dem
Schweißgeruch von Männern gemischt
waren. Normalerweise nimmt die
menschliche Nase vor allem den
angenehmen Geruch auf. In diesem Fall
war es anders. Nur zwei Parfumdüfte
waren in der Lage den männlichen
Schweißgeruch zu überdecken. Ich
schließe daraus: Es ist vergebliche Mühe, den männlichen Schweißgeruch
überdecken zu wollen. Wir tun uns wahrscheinlich als Männer selbst einen Gefallen,
wenn wir zu den tatsächlichen Gerüchen unseres Lebens stehen und sie nicht
künstlich manipulieren.
Vor einiger Zeit habe ich Tim Mälzer bei einer Musiksendung erlebt. Zwei Frauen
haben miteinander ein sehr bewegendes Lied gesungen. Allen Gästen in Studio
standen Tränen der Bewegung in den Augen, wahrscheinlich auch vielen
Zuschauern zu Hause. Nur Tim Mälzer hat ungefragt gleich ein paar Mal betont,
dass die feuchten Tropfen auf seinem Gesicht keine Tränen sind, sondern
Schweißtropfen, weil es im Studio so heiß ist. Ich kann es natürlich nicht mit
Sicherheit sagen, aber der Verdacht hat sich mir schon aufgedrängt, dass Tim
Mälzer seine Emotionen verbergen wollte. Nach meinem Empfinden wollte er sie
fast wegmanipulieren.
So wollen wir Männer schon manchmal sein, dass wir manche Dinge überdecken
wollen, damit der Geruch unserer Angst oder unserer Gefühle oder unserer
Sehnsucht zumindest nicht so deutlich wahrgenommen wird. Und mancher
„Überdeckungsversuch“ kann und sehr viel Schweiß, Lebenskraft und Energie
kosten. Ich vermute, wir gewinnen als Männer Leichtigkeit für unser Leben und
Herzlichkeit in unseren Beziehungen, wenn wir authentisch sind, wenn unser
Geruch mit dem übereinstimmt, was in unserem Herzen ist.
3.
Duft: Manchmal stinkig werden
3. Duft: In diesen Zusammenhang gehört eine liebevolle
Weisheit, an den richtigen Stellen auch manchmal
richtig „stinkig“ zu werden und nicht um jeden Preis nur
angenehme Düfte zu verbreiten. Ich habe dabei nicht
Männer im Blick, die wegen jeder Kleinigkeit auf den
Putz hauen und meinen, sie müssten sich lautstark
wichtigmachen. Aber manchmal kommt es schon darauf
an, auf den Putz zu hauen, wenn es darum geht, den
Blick hinter eine Fassade freizulegen oder gegen ein
unmenschliches Machtgehabe hin zustehen. Ich bin
selbst ein Mensch, der eher „gut Wetter machen“ will
und schnell dabei ist, Konflikte auszusitzen oder nötigen
Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Dabei
merke ich immer wieder, wie es mir selbst und anderen
Menschen guttut, wie es eine Atmosphäre entspannen
kann, wenn ich kritische Dinge offen auf den Punkt bringe und dabei eben auch
„stinkig“ werde, wenn es nötig ist. Dazu braucht es einen liebevollen Mut, der
durchaus schweißtreibend sein kann. Lasst uns auch in diesem Sinn als Männer „im
Schweiß unseres Angesichts unser Brot essen“.
Amen.